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Urteil Versicherungsgericht (SG - IV 2018/95)

Zusammenfassung des Urteils IV 2018/95: Versicherungsgericht

Die Beschwerdeführerin, A., meldete sich bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen für berufliche Massnahmen und Rentenleistungen an. Sie wurde aufgrund psychischer Probleme als teilweise arbeitsunfähig eingestuft. Trotzdem arbeitete sie in einem kleinen Pensum als Reinigungskraft. Die IV-Stelle lehnte ihr Rentenbegehren ab. Nach einer Begutachtung wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin zu 50% arbeitsfähig ist. Die Beschwerdegegnerin bestreitet jedoch die rechtliche Relevanz der Gutachten und argumentiert, dass die psychischen Leiden nicht als invalidisierend einzustufen seien. Das Gericht entscheidet zugunsten der Beschwerdeführerin und spricht ihr ab Mai 2016 eine halbe Invalidenrente zu. Die Gerichtskosten von CHF 600 trägt die Beschwerdegegnerin, und die Beschwerdeführerin erhält eine Parteientschädigung von CHF 3'500.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts IV 2018/95

Kanton:SG
Fallnummer:IV 2018/95
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2018/95 vom 14.02.2020 (SG)
Datum:14.02.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 28 IVG: Beweiskraft Gutachten bejaht. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten rechtlichen Überlegungen sprechen nicht gegen die gutachterlich attestierte Arbeitsunfähigkeit. Einkommensvergleich. Gutheissung der Beschwerde. Zusprache einer halben Invalidenrente (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 14. Februar 2020, IV 2018/95).
Schlagwörter: Arbeit; IV-act; Arbeitsfähigkeit; Recht; Behandlung; Gutachten; Rente; Störung; Invalidität; Zwang; Arbeitsunfähigkeit; IV-Stelle; Gesundheit; Diagnose; Anspruch; Parteien; Störungen; Wohnung; Invaliditätsgrad; Leiden; Gutachter; Erwerb; Bundesgericht; Pensum
Rechtsnorm: Art. 16 ATSG ;Art. 17 ATSG ;Art. 21 ATSG ;Art. 7 ATSG ;
Referenz BGE:117 V 264; 125 V 261; 125 V 352; 126 V 75; 141 V 281; 143 V 414; 143 V 430;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts IV 2018/95

Entscheid vom 14. Februar 2020

Besetzung

Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Sabrina Bleile

Geschäftsnr. IV 2018/95

Parteien

A. ,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsagent Edwin Bigger, RGB Consulting, Sonnenbühlstrasse 3, 9200 Gossau,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand Rente Sachverhalt

A.

    1. A. (nachfolgend: Versicherte) meldete sich am 16. Juni 2015 bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) für berufliche Massnahmen und Rentenleistungen an (IV-act. 1). Sie war zu diesem Zeitpunkt als Reinigungskraft in einem Pensum von 10 % angestellt (IV-act. 1 S. 4 und 5 S. 1 f.). Am 8. Mai 2015 hatte auf Zuweisung ihres Hausarztes Dr. med. B. , Allgemeinmedizin FMH, eine Erstkonsultation im Psychiatriezentrum C. stattgefunden. Im Aufnahmebericht vom

      5. Juni 2015 hatten die behandelnden Ärzte als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, Zwangshandlungen (Zwangsrituale), psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch Alkohol (Abhängigkeitssyndrom) sowie psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch Sedativa Hypnotika (Abhängigkeitssyndrom) genannt. Weiter hatten die Ärzte festgehalten, dass die Versicherte von langanhaltenden und chronischen Zwangshandlungen, ohne rituellen Charakter, berichtet habe. Auch habe die Versicherte zahlreiche depressive Symptome (Durchschlafstörungen, Hoffnungslosigkeit, Lebensüberdruss, innere Unruhe, sozialer Rückzug und Suizidgedanken) erwähnt. Die Versicherte arbeite in einem sehr niedrigen Pensum in einer Reinigungsfirma. Diese leidensangepasste Tätigkeit gebe ihr Struktur sowie Stabilität und sei aus psychiatrischer Sicht gesundheitsfördernd. Ausserhalb dieser Tätigkeit scheine aufgrund der Schwere des psychischen Krankheitsbildes keine verwertbare Arbeitsfähigkeit zu bestehen (IV-act. 12 S. 3 f.).

    2. Mit Mitteilung vom 21. Juli 2015 informierte die IV-Stelle die Versicherte darüber, dass zurzeit keine beruflichen Eingliederungsmassnahmen angezeigt seien. Ein

      Rentenanspruch könne erst nach Ablauf eines Wartejahres entstehen. Diesbezüglich

      werde zu gegebener Zeit separat verfügt (IV-act. 10; vgl. ferner IV-act. 11).

    3. In einem am 2. Dezember 2015 ausgefüllten Fragebogen der IV-Stelle zur Rentenabklärung gab die Versicherte an, dass sie bei Gesundheit einer Vollerwerbstätigkeit nachgehen würde (IV-act. 15).

    4. In einem Verlaufsbericht vom 7. Dezember 2015 erwähnten die behandelnden Ärzte des Psychiatriezentrums C. dieselben Diagnosen wie im Aufnahmebericht. Weiter führten sie aus, dass die Versicherte seit dem 8. Mai 2015 bei ihnen in Behandlung stehe. Sie sei aber bereits im Jahr 2001 wegen multipler Zwangshandlungen sowie einer depressiven Reaktion mit starker Neigung zur Isolation in der Wohnung in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Im Herbst 2004 bis Frühling 2005 sei sie wegen einer rezidivierenden depressiven Störung sowie eines Alkoholabusus auch bereits am Psychiatriezentrum C. behandelt worden. Die damals begonnene medikamentöse Behandlung habe aufgrund starker Nebenwirkungen (extreme Müdigkeit) abgesetzt werden müssen. Auch sei keine nennenswerte Verbesserung der depressiven Symptomatik eingetreten. Im Jahr 2010 sei die Versicherte durch Dr. B. wegen einer schweren depressiven, angstbetonten Störung sowie Zwangshandlungen zugewiesen worden. Damals habe sie auch von intermittierend auftretenden Panikattacken berichtet. Weiter habe die Versicherte damals den Zwang geschildert, alles putzen zu müssen, sobald etwas mit Tieren Tierhaaren in Berührung gekommen sei. Selbst wenn die Kinder bei einem Nachbarn gespielt hätten, der eine Katze habe, hätte sie diese und deren Kleidung reinigen müssen. Die Zwänge hätten sich auch auf andere Verschmutzungen ausgeweitet. Die Versicherte habe davon berichtet, dass sie sich selbst Wochen später noch an bestimmte Stellen in der Wohnung erinnern könne, die von einer verschmutzten Person berührt worden seien. Diese Stellen müsste sie dann wiederholt reinigen. Schon damals sei eine tagesklinische Behandlung in Erwägung gezogen worden, zu welcher sich die Versicherte aber noch nicht habe entschliessen können. Im Sommer 2011 sei dann eine tagesklinische Behandlung im Psychiatriezentrum C. erfolgt, wobei die Behandlung der schweren Zwangshandlungen und Zwangsrituale im Vordergrund gestanden habe. Des Weiteren sei auch die Diagnose einer Angststörung und depressiven Störung gemischt gestellt worden. Es sei zu einer Stabilisierung der

      depressiven Symptomatik gekommen, der Verlauf sei jedoch stark schwankend gewesen. Die bestehende Zwangsproblematik habe sich nur marginal verändert. Im Mai 2015 sei nun die erneute Zuweisung durch Dr. B. erfolgt. Die Versicherte berichte noch immer von anhaltenden ausgeprägten chronifizierten Zwängen. Sie habe Angst vor Verschmutzung, insbesondere vor solcher durch andere Personen solcher in öffentlichen Räumen und Institutionen. Die Versicherte müsse sich, entsprechend ihren Aussagen, wiederholt die Hände waschen, sich duschen, die Kleidung waschen im schlimmsten Fall auch die Kleidung wegwerfen. Auch sei sie in ihrer Alltagsgestaltung massiv eingeschränkt. Es sei ihr aufgrund von Angst vor Verschmutzung nicht möglich, das Gebäude der Tagesklinik zu betreten. Die ihr zunächst zugeteilte Therapeutin habe ihr Büro dort gehabt, weshalb für eine ambulante Behandlung ein Therapeutenwechsel notwendig gewesen sei. Auch habe die Versicherte grosse Mühe gehabt, Termine beim Sozialdienst wahrzunehmen und sie habe nach den Besuchen schon mehrere Kleidungsstücke in den Müll werfen müssen. Weiter gebe die Versicherte an, sich in ihrem Leben stark isoliert zu haben. Sie würde kaum noch aus der Wohnung gehen und keinen Besuch mehr empfangen. In der Haushaltsführung empfinde sie sich ebenfalls als stark eingeschränkt. Sie habe erwähnt, dass die Wohnung zum Teil sehr chaotisch aussehe und sie den Tag mehrheitlich auf der Couch verbringe. Weiter habe die Versicherte ihre Angst geschildert, selbst in der Wohnung etwas verschmutzen zu können Gegenstände und damit die ganze Wohnung zu verschmutzen. Weiter habe sie davon berichtet, Lebensmittel mehrfach reinigen zu müssen, bevor sie diese in den Kühlschrank räume. Auch würde sie fast keine Kleider mehr besitzen und sie hätte auch schon Möbelstücke wegwerfen müssen. Aufgrund ausgeprägter Scham- und Schuldgefühle habe die Versicherte zum Teil exzessiv Alkohol konsumiert, um sich zu beruhigen und zu stabilisieren. Bei Bedarf nehme sie auch Lexotanil ein. Aufgrund negativer Vorerfahrungen habe die Versicherte aber eine ausgeprägte Abneigung gegen Psychopharmaka. Die behandelnden Ärzte hielten sodann fest, dass zum aktuellen Zeitpunkt auf dem ersten Arbeitsmarkt keine verwertbare Arbeitsfähigkeit vorliege. Aufgrund der geschilderten Symptomatik sei es überdies fraglich, ob in einer geschützten Institution auf dem zweiten Arbeitsmarkt eine verwertbare Arbeitsleistung erzielt werden könne. Paradoxerweise habe die Versicherte seit vielen Jahren eine Anstellung in einem kleinen Pensum auf dem ersten Arbeitsmarkt inne. Das Geschäft

      sei früher vom Schwager der Versicherten geleitet worden und ihre Schwester habe die aktuelle Position innegehabt. Der aktuelle Vorgesetzte sei ebenfalls ein Bekannter und die Stelle sei ihr über die Schwester vermittelt worden. An diesem Arbeitsplatz arbeite die Versicherte maximal zweimal wöchentlich zwei Stunden pro Nachmittag. Die Stelle sei nach Angabe der Versicherten bezüglich des Arbeitsbeginns sehr flexibel und sie müsse lediglich Staub wischen und Gläser putzen, während keine sanitären Anlagen in der Nähe seien. Aufgrund des grossen Vertrauens in den Vorgesetzten erscheine dieser Arbeitsort der Versicherten Sicherheit zu geben und die Stelle sei für die Versicherte wichtig, indem sie ihr Tagesstruktur und Lebenssinn gebe. Gleichzeitig habe die Versicherte auch angegeben, dass sie mit den zwei Stunden Arbeit ihr Limit erreiche und nach dem Arbeiten immer völlig erschöpft sei (IV-act. 16).

    5. Am 3. Mai 2016 führten zwei Mitarbeiter der IV-Stelle bei der Versicherten eine Haushaltsabklärung durch (IV-act. 21). Im Abklärungsbericht wurde festgehalten, dass die Versicherte angegeben habe, dass sie bei voller Gesundheit in einem Pensum von 100 % erwerbstätig wäre. Denn seit Juli 2015 würde der ehemalige Ehemann nur noch Alimente für die gemeinsame Tochter zahlen. Deshalb müsste sie spätestens ab Juli 2015 einer 100%igen Erwerbstätigkeit nachgehen (IV-act. 21 S. 3). Gestützt auf diese Angaben kamen die Haushaltsabklärungspersonen zum Schluss, dass die Versicherte bei voller Gesundheit zu 100 % erwerbstätig wäre, sodass die Hausarbeiten invalidenversicherungsrechtlich nicht von Belang seien, weshalb die Angaben zur Haushaltsführung nur rudimentär erfasst würden (IV-act. 21 S. 5 f.). Diesbezüglich wurde im Abklärungsbericht festgehalten, dass die Versicherte nur selten koche, da sie weder Kraft noch Lust dazu habe. Die im gemeinsamen Haushalt lebende Tochter bereite für sich warme Speisen im Backofen zu, was die Versicherte allerdings nicht gerne sehe, weil die Küche dann verschmutzt sei. Bei der Wohnungspflege werde die Versicherte ebenfalls durch ihre Tochter unterstützt. Aus dem Haus gehe die Versicherte nur ca. alle zwei Tage und kaufe kleinere Waren ein. Grössere Einkäufe erledige sie gemeinsam mit ihrer Schwester. Ihre Wäsche lasse die Versicherte bei ihrer Schwester reinigen, weil im Mehrfamilienhaus ein Hund wohne und die Waschmaschine deshalb aus ihrer Sicht verunreinigt sei. Trotzdem habe die Versicherte immer wieder das Gefühl, dass ihre Wäsche verschmutzt sei, weshalb sie diese teilweise auch ganz entsorge (IV-act. 21 S. 5).

    6. Im Zeitraum vom 23. bis 27. Januar 2017 wurde die Versicherte im Psychiatrischen

      Zentrum D. im Auftrag der IV-Stelle stationär begutachtet (IV-act. 31). Dr. med.

      E. , Psychiatrisches Zentrum D. , nannte in seinem Gutachten vom 21. April 2017 folgende Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit: Zwangsstörung mit Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt, Angst und depressive Störung gemischt, undifferenzierte Somatisierungsstörung mit Phänomenen der dysfunktionalen Beschwerdebewältigung, Vitamin-D3-Mangel, akzentuierte Persönlichkeit mit asthenischen und anankastischen Zügen und psychogene Schlafumkehr (IV-act. 31 S. 46 f.). In seiner Beurteilung der Arbeitsfähigkeit kam Dr.

      E. zum Schluss, dass die Arbeitsunfähigkeit der Versicherten in der bisherigen Tätigkeit als Reinigungskraft etwa zur Hälfte durch psychopathologische Faktoren erklärt werden könne und zur Hälfte nicht, sodass die zumutbare Arbeitsfähigkeit bei 50 % liegen dürfte. Die effektiv erbrachte Arbeitsleistung im Umfang von 10 % sei vor allem Ausdruck der Selbstlimitierung. Dieses Pensum sei nicht durch unüberwindbare psychopathologisch bedingte Einschränkungen fixiert. Wie sich diese Arbeitsfähigkeit in der Vergangenheit entwickelt habe, lasse sich aktuell nicht mehr mit Präzision sagen. Die Angabe des Psychiatriezentrums C. vom Dezember 2015, wonach eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit bestehe, sei schwer verständlich, zumal die Versicherte immer leicht arbeitstätig gewesen sei und auch in ihrem Haushalt einiges selber erledigt habe. Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit stelle sich die Frage, welche Tätigkeit überhaupt noch angepasster sein könnte als die aktuelle Reinigungsarbeit. Allenfalls könnte für die Versicherte aufgrund ihrer Physis eine leichte, sitzende wechselbelastende manuelle Tätigkeit ohne grosse Kommunikationsleistungen leichter zu bewältigen sein. Gleichwohl sei angesichts des Gesamtzustandes der Versicherten nicht zu erwarten, dass sie dazu gebracht werden könne, über ein Pensum von 50 % hinauszuarbeiten. Schon ein solches würde vermutlich an der rigiden Abwehrhaltung der Versicherten scheitern, was aber wiederum nicht rein psychopathologisch begründet werden könne, sondern zu einem guten Teil durch festgesetzte Überzeugungen bewirkt werde (IV-act. 31 S. 53).

    7. In einer Stellungnahme vom 8. Mai 2017 hielt der regionale ärztliche Dienst (RAD) fest, dass das monodisziplinäre Gutachten von Dr. E. formal und inhaltlich den Anforderungen, welche man an ein medizinisches Gutachten stellen dürfe, entspreche.

      Gutachterlich werde die Arbeitsfähigkeit in der bisherigen und in einer adaptierten Tätigkeit mit ca. 50 % beurteilt, wobei Dr. E. ausdrücklich erwähnt habe, dass sich die Frage, wie sich die Arbeitsfähigkeit in der Vergangenheit entwickelt habe, aktuell nicht mit Präzision beantworten lasse. Gesamthaft bleibe aus versicherungsmedizinischer Sicht festzuhalten, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit durch die von Dr. E. beschriebenen Therapieoptionen in absehbarer Zeit nicht quantifizierbar, längerfristig medizintheoretisch aber möglich sei (IV-act. 32).

    8. Mit Vorbescheid vom 24. Oktober 2017 stellte die IV-Stelle der Versicherten die Abweisung ihres Rentenbegehrens bei einem Invaliditätsgrad von 0 % in Aussicht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das eingeholte psychiatrische Gutachten hinsichtlich des medizinischen Sachverhaltes als voll beweiskräftig anzusehen sei. Zu prüfen sei aber, ob das psychische Leiden, welches die Leistungsfähigkeit nach gutachterlicher Einschätzung um 50 % einschränke, auch funktionelle Auswirkungen und damit eine rechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bewirke. Psychische Störungen gälten grundsätzlich nur dann als invalidisierend, wenn sie schwer und therapeutisch nicht mehr angehbar seien. Fest stehe, dass die akzentuierten Persönlichkeitszüge und auch die Diagnose "Angst und depressive Störung gemischt" nicht als invalidisierende Leiden einzustufen seien. Keine der Störungen erreiche ein Ausmass, das eine entsprechende Diagnose rechtfertige. Bei psychosomatischen Leiden gelte der Behandlungserfolg bzw. die Behandlungsresistenz als wichtiger Schweregradindikator. Gemäss der gutachterlichen Beurteilung sei keine der Störungen suffizient behandelt worden, wobei der Gutachter erfolgsversprechende Behandlungsoptionen aufgezeigt habe. Dies spreche gegen eine invalidisierende psychische Erkrankung, die schwer und therapeutisch nicht mehr angehbar sei. Weiter komme die Anerkennung einer rentenbegründenden Invalidität nur in Frage, wenn die Aktenlage ein stimmiges Gesamtbild zeichne, das auf eine therapeutisch nicht mehr angehbare funktionelle Behinderung schliessen lasse. Dies sei aufgrund der im Gutachten beschriebenen Inkonsistenzen, Diskrepanzen und Selbstlimitierungen nicht der Fall. Auch bestünden aufgrund der familiären Kontakte Ressourcen. Weiter lägen zahlreiche psychosoziale Faktoren vor, die als selbständige und insoweit nicht versicherte direkte Ursachen der Leistungseinschränkung eine Rolle

spielen würden. Aufgrund all dieser Umstände könne den diagnostizierten psychischen Leiden keine invalidisierende Wirkung beigemessen werden. Eine eingehendere Prüfung der Indikatoren erübrige sich (IV-act. 34). Am 8. Februar 2018 verfügte die IV- Stelle die Abweisung des Rentenbegehrens (IV-act. 42).

B.

    1. Gegen diese Verfügung erhob die Versicherte (nachfolgend: Beschwerdeführerin), vertreten durch Rechtsagent E. Bigger, Gossau, am 7. März 2018 Beschwerde. Sie beantragte, die angefochtene Abweisungsverfügung vom 8. Februar 2018 sei aufzuheben und ihr sei gemäss der fachärztlich festgestellten wesentlichen Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit in leidensadaptierten Tätigkeiten eine unbefristete Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zwecks zusätzlicher Abklärungen an die IV-Stelle (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) zurückzuweisen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beschwerdegegnerin. In formeller Hinsicht beantragte die Beschwerdeführerin eine angemessene Nachfrist von 30 Tagen zur Beschwerdeergänzung nach Erhalt der IV-Akten sowie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung (act. G 1). In ihrer Beschwerdeergänzung vom 17. April 2018 hielt die Beschwerdeführerin an den in der Beschwerde gestellten Anträgen fest, wobei sie anmerkte, dass sich das Gesuch um Gewährung einer Nachfrist zur ergänzenden Begründung der Beschwerde erübrigt habe (act. G 3).

    2. In ihrer Beschwerdeantwort vom 4. Juni 2018 beantragte die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde (act. G 5). Gleichentags entsprach der verfahrensleitende Richter dem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Befreiung von den Gerichtskosten und Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung) für das Verfahren vor Versicherungsgericht (act. G 6).

    3. In ihrer Replik vom 26. Juni 2018 hielt die Beschwerdeführerin an den in der

      Beschwerde bzw. Beschwerdeergänzung gestellten Rechtsbegehren fest (act. G 9).

    4. Mit Schreiben vom 29. Juni 2018 hielt die Beschwerdegegnerin an dem in der Beschwerdeantwort gestellten Antrag fest und verzichtete auf eine ausführliche Duplik (act. G 11).

Erwägungen 1.

Vorliegend strittig und zu prüfen ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente.

2.

    1. Einen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung haben Versicherte, die ihre Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wiederherstellen, erhalten verbessern können, während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig gewesen sind und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid sind (Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20]). Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsunfähigkeit wird in Art. 7 Abs. 1 ATSG als der durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichen Arbeitsmarkt definiert. Die Invalidität ist grundsätzlich durch einen Einkommensvergleich zu ermitteln. Dabei wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen kann, in Beziehung gesetzt zum Einkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG). Nach Art. 28 Abs. 2 IVG besteht Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70 %, auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens zu 60 % invalid ist. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % besteht ein Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % ein Anspruch auf eine Viertelsrente.

    2. Um den Arbeitsfähigkeitsgrad bestimmen zu können, ist die Verwaltung - und im Beschwerdefall das Gericht - auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es dabei, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die

      versicherte Person arbeitsfähig ist (BGE 125 V 261 E. 4). Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten bzw. der Anamnese abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Fachperson begründet sind (BGE 125 V 352 E. 3a mit Hinweis).

    3. Der im Sozialversicherungsprozess herrschende Untersuchungsgrundsatz schliesst eine Beweislast im Sinn einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien die Beweislast nur insofern, als im Fall der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte (BGE 117 V 264 E. 3b; Alexandra Rumo-Jungo/André Pierre Holzer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2012, S. 4 f. und 55).

3.

    1. Beide Parteien sind sich grundsätzlich darin einig, dass dem Gutachten von Dr.

      E. vom 21. April 2017 Beweiswert zukomme (vgl. act. G 3 S. 4 und 9 S. 3; IV-act. 42

      S. 2, oben). Die Beschwerdegegnerin stützt sich für die Abweisung des Rentenbegehrens in medizinischer Hinsicht denn auch in erster Linie auf dieses Gutachten (vgl. IV-act. 42). Aus rechtlichen Überlegungen stellt sie jedoch nicht auf die gutachterliche Schätzung der Arbeitsfähigkeit ab, da kein invalidenversicherungsrechtlich relevanter Gesundheitsschaden gegeben sei (vgl. IV- act. 42; act. G 5). Demgegenüber erachtet die Beschwerdeführerin die von der Beschwerdegegnerin geäusserten Rechtsauffassungen als überholt und ist der Ansicht, dass die gutachterliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit schlüssig und nachvollziehbar sei (vgl. act. G 3 S. 4 und 9 S. 3).

    2. Mit den Parteien ist davon auszugehen, dass es sich beim psychiatrischen Gutachten von Dr. E. um ein beweiskräftiges Gutachten handelt, auf welches zur Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes abgestellt werden kann. Das Gutachten beruht auf eigenständigen Abklärungen. Die medizinischen Vorakten und die von der Beschwerdeführerin geklagten Beschwerden sind berücksichtigt worden. Mit den abweichenden Stellungnahmen der Behandler hat sich der Gutachter ausreichend auseinandergesetzt. Weiter bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass objektiv wesentliche Tatsachen im Gutachten nicht berücksichtigt worden wären (vgl. IV-

      act. 31). Auch der RAD ist in seiner Stellungnahme vom 8. Mai 2017 zum Schluss gekommen, dass das Gutachten formal und inhaltlich den Anforderungen entspreche, die man an ein medizinisches Gutachten stellen dürfe (vgl. IV-act. 32). Unter eingehender Berücksichtigung der von der Rechtsprechung aufgestellten Standardindikatoren (vgl. insbesondere IV-act. 31 S. 41 ff.) ist der Sachverständige nachvollziehbar und einleuchtend zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt der Begutachtung sowohl in ihrer angestammten als auch in einer adaptierten Tätigkeit zu 50 % arbeitsfähig sei (IV-act. 31 S. 53). Wie sich die Arbeitsfähigkeit vor dem Begutachtungszeitpunkt entwickelt hat, lässt sich gemäss dem Gutachter aktuell nicht mehr mit Präzision sagen (vgl. IV-act. 31

      S. 53). Da die Beschwerdeführerin von Dr. B. im Mai 2015 an das Psychiatriezentrum C. verwiesen worden ist und dort nach längerem Unterbruch wieder eine psychiatrische Behandlung aufgenommen hat (vgl. IV-act. 16), erscheint es gerechtfertigt, den Beginn der für das Rentengesuch wesentlichen Arbeitsunfähigkeit in den Mai 2015 zu legen (vgl. dazu auch die Stellungnahme des RAD vom 19. Februar 2016; IV-act. 17 S. 2). Unter Berücksichtigung des Wartejahres i.S.v. Art. 28 Abs. 1 IVG fällt der frühestmögliche Rentenbeginn demnach auf den 1. Mai 2016 (Art. 28 Abs. 1

      i.V.m. Art. 29 Abs. 1 und 3 IVG; zum Zeitpunkt der IV-Anmeldung vgl. IV-act. 1). Für die Zeit von Mai 2016 bis zur Begutachtung im Januar 2017 (vgl. dazu IV-act. 31 S. 1) fehlt somit eine gutachterliche Arbeitsfähigkeitsschätzung. Angesichts der vor der Begutachtung erstellten ärztlichen Berichte, welche der Beschwerdeführerin eine 90%ige 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestieren (vgl. IV-act. 16 und 14 S. 6 f.), und mangels Anhaltspunkten für eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zwischen Mai 2016 und Januar 2017 ist es überwiegend wahrscheinlich, dass auch im Zeitraum Mai bis Dezember 2016 eine mindestens 50%ige Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Ob der Grad der Arbeitsunfähigkeit in dieser Zeit vor der Begutachtung möglicherweise sogar höher gewesen ist, bleibt beweislos, wobei die Beschwerdeführerin die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat (vgl. E. 2.3). Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ab Mai 2016 zu 50 % arbeitsunfähig ist.

    3. Wie bereits erwähnt, hat auch die Beschwerdegegnerin den Beweiswert des Gutachtens grundsätzlich anerkannt (vgl. IV-act. 42 S. 2, oben). Allerdings beruft sie sich auf Rechtsgründe, die sie nicht auf die gutachterlich attestierte Arbeitsfähigkeit abstellen liessen (vgl. IV-act. 42; act. G 5). In ihrer ablehnenden Verfügung hat sie festgehalten, dass bei der Beschwerdeführerin weder eine gesundheitliche Beeinträchtigung von erheblichem Schweregrad noch funktionelle Auswirkungen in Beruf Erwerb objektiv nachgewiesen seien. Daher lasse sich eine 50%ige

      Einschränkung der Arbeitsfähigkeit für angepasste Tätigkeiten, wie sie der Gutachter postuliere, aus der Optik des Rechtsanwenders, der die ärztlichen Einschätzungen auf ihre konkrete sozialversicherungsrechtliche Relevanz hin zu prüfen habe, nicht erhärten (IV-act. 42 S. 2 f.). Im Rahmen ihrer Überprüfung hat die Beschwerdegegnerin hervorgehoben, dass die Leiden der Beschwerdeführerin nicht als therapieresistent einzustufen seien. Psychische Störungen würden grundsätzlich nur dann als invalidisierend gelten, wenn sie schwer und therapeutisch nicht mehr angehbar seien (vgl. IV-act. 42 S. 2). Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hingewiesen (vgl. act. G 1 S. 5 f. und 3 S. 3 f.), dass die Rechtsprechung hinsichtlich der invalidenversicherungsrechtlichen Bedeutung der Therapierbarkeit bestimmter psychischer Leiden vom Bundesgericht aufgegeben worden ist. Ein vorhandenes Verbesserungspotential in der medizinischen Behandlung steht dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nach Ablauf des Wartejahres nicht entgegen (vgl. BGE 143 V 414 ff. E. 4.4 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 15. Februar 2018, 9C_590/2017,

      E. 5.1 und vom 2. September 2014, 9C_395/2014, E. 4.5). Die Beschwerdegegnerin hat dies in ihrer Beschwerdeantwort denn auch anerkannt (vgl. act. G 5 S. 5 f.). So hat sie in dieser ausgeführt, dass die Frage der Therapieresistenz für die Verneinung des Rentenanspruchs lediglich ein Aspekt bei der Indikatorenprüfung sei (act. G 5 S. 5). Anschliessend hat sie sich zu weiteren durch die Rechtsprechung entwickelten Indikatoren geäussert (act. G 5 S. 5 ff.). Sodann ist sie, wie bereits in ihrer Verfügung vom 8. Februar 2018 (IV-act. 42), zusammenfassend zum Schluss gekommen, dass bei der Beschwerdeführerin entsprechend der Indikatorenprüfung kein invalidenversicherungsrechtlich relevanter Gesundheitsschaden ausgewiesen sei

      (act. G 5 S. 8). Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Prüfung der Arbeitsunfähigkeit anhand der vom Bundesgericht definierten Standardindikatoren, die darauf hinausläuft, einen Rentenanspruch aus vermeintlichen rechtlichen Überlegungen zu verneinen, überzeugt allerdings nicht. Das strukturierte Beweisverfahren soll nämlich keine von den medizinischen Einschätzungen losgelöste juristische Parallelüberprüfung ermöglichen. Kommt der Rechtsanwender nach der Beweiswürdigung zum Schluss, ein Gutachten erfülle sowohl die mit BGE 141 V 281 definierten versicherungsmedizinischen Massstäbe als auch die allgemeinen rechtlichen Beweisanforderungen, ist es grundsätzlich als beweiskräftig anzusehen und die darin enthaltene Schätzung der Arbeitsfähigkeit somit zu übernehmen (Urteil des Bundesgerichts vom 4. Juni 2018, 9C_194/2018, E. 4.1 mit Hinweisen). Wie bereits erwähnt, hat der psychiatrische Gutachter in seiner Beurteilung auf einschlägige Standardindikatoren Bezug genommen (vgl. insbesondere IV-act. 31 S. 41 ff.). Seine Arbeitsfähigkeitsschätzung leuchtet sodann in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und unter Berücksichtigung der gesamten medizinischen Aktenlage

      ein. Die Beschwerdegegnerin hat das Gutachten ebenso wie die Beschwerdeführerin als beweiskräftig eingestuft (vgl. act. G 3 S. 4 und 9 S. 3; IV-act. 42 S. 2, oben). Für eine Abweichung von der gutachterlichen Arbeitsfähigkeitsschätzung besteht im vorliegenden Fall somit kein Raum. Weiter ist anzumerken, dass das strukturierte Beweisverfahren einer Aufteilung von Einbussen auf einzelne Leiden entgegensteht, da es auf einer ergebnisoffenen Gesamtbetrachtung in Berücksichtigung der Wechselwirkungen der gesundheitlichen Störungen basiert. Auch wenn eine einzelne Diagnose für sich allein betrachtet keine Invalidität bewirkt, kann sie zusammen mit anderen Befunden die Arbeitsfähigkeit im Einzelfall gleichwohl erheblich beeinträchtigen (BGE 143 V 430 E. 8.1). Insofern hat die Beschwerdegegnerin einzelnen von Dr. E. gestellten Diagnosen zu Unrecht ihre invalidisierende Wirkung von vornherein abgesprochen (vgl. IV-act. 42 S. 2). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdegegnerin angeführten Gründe der gutachterlich ermittelten Arbeitsunfähigkeit nicht entgegenstehen.

    4. Ob sich die Arbeitsfähigkeit durch die vom Gutachter empfohlenen Therapien verbessert (vgl. dazu IV-act. 31 S. 48 f.), kann von der Beschwerdegegnerin überprüft und eine zugesprochene Rente (vgl. dazu E. 4) gegebenenfalls revisionsweise angepasst werden (vgl. Art. 17 ATSG). Sollte sich herausstellen, dass sich die Beschwerdeführerin nur ungenügend behandeln lässt bzw. sich zumutbaren Behandlungen widersetzt, kann die Beschwerdegegnerin mittels geeigneter Aufforderung unter Androhung der entsprechenden Konsequenzen auf eine Behandlungsaufnahme hinwirken (Art. 21 Abs. 4 ATSG; Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 2017, 9C_682/2016, E. 3.2, und vom 2. September 2014, 9C_395/2014,

E. 4.5).

4.

    1. Ausgehend von der ermittelten Arbeitsunfähigkeit bleiben die erwerblichen Auswirkungen der Leistungsbeeinträchtigung zu prüfen. Dabei ist der Invaliditätsgrad anhand eines Einkommensvergleichs zu bestimmen (vgl. IV-act. 21 S. 3 und 5; vgl.

      E. 2.1).

    2. Vorliegend ist sowohl hinsichtlich des (hypothetischen) Valideneinkommens als auch bezüglich des Invalideneinkommens derselbe Tätigkeitsbereich zugrunde zu legen (vgl. IV-act. 31 S. 53). Demnach kann der Invaliditätsgrad der Beschwerdeführerin anhand eines so genannten Prozentvergleichs ermittelt werden. Dabei entspricht der Invaliditätsgrad dem Grad der Arbeitsunfähigkeit, allenfalls unter

Berücksichtigung eines Abzuges vom Tabellenlohn (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom

10. April 2017, 9C_804/2016, E. 2.2 mit Hinweis; zum Tabellenlohnabzug vgl. BGE 126 V 75). Gründe, die einen solchen rechtfertigen würden, sind vorliegend nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht. Folglich resultiert bei einem Arbeitsunfähigkeitsgrad von 50 %, wie er bei der Beschwerdeführerin seit Mai 2016 anzunehmen ist, ein Invaliditätsgrad von 50 %. Die Beschwerdeführerin hat demnach seit Mai 2016 einen Anspruch auf eine halbe Invalidenrente.

5.

    1. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen ist und die Beschwerdeführerin ab dem 1. Mai 2016 einen Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat. Die Sache ist zur Festsetzung und Ausrichtung der geschuldeten Leistungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

    2. Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Im vorliegenden Fall erscheint eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- als angemessen. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

    3. Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG). Im hier zu beurteilenden Fall erscheint mit Blick auf vergleichbare Fälle eine pauschale Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Demnach hat die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung aufgehoben und der Beschwerdeführerin ab dem 1. Mai 2016 eine halbe Invalidenrente zugesprochen. Die Sache wird zur Festsetzung und Ausrichtung der geschuldeten Leistungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

2.

Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von Fr. 600.-- zu bezahlen.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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